Politik muss auf Ethik ruhen
von Moritz Nestor
Lebe in deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf;
leiste deinen Zeitgenossen, aber was sie be- dürfen, nicht was sie loben.
Friedrich Schiller
Papst Benedikt XVI. hielt am 22. September 2011 vor dem deutschen Bundestag eine viel beachtete Rede zur politischen Ethik. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er das Naturrecht und mahnte Wahrhaftigkeit im politischen Handeln an. Der politisch ethische Kern des Naturrechts sei, so Benedikt XVI.:
«Die Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Frieden schaffen. […] Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren, ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers.» Es gehe um «die Frage, was nun dem Gesetz der Wahrheit entspreche, was wahrhaft recht sei und Ge- setz werden könne […]».
Damit greift das damalige Oberhaupt der katholischen Kirche jene Forderung von Aristoteles auf, die seit der griechischen Antike vor 2500 Jahren im Zentrum des Naturrechtdenkens stand: Politik muss auf Ethik ruhen. Macht allein kann keine Gerechtigkeit erzeugen. Positives Recht muss an vorstaatlichen ethischen Massstäben, die aus der Erkenntnis der Menschennatur gewonnen werden, gemessen und danach geformt werden, damit es erst gerecht wird. Recht wird daher, so Aristoteles, weder durch blossen Meinungsstreit (Diskursethik) noch durch Gewalt oder Ideologie gerecht.
Damit traten die Griechen vor 2500 Jahren in eine neue historische Phase ein: Das Naturrecht erkannte, dass dauerhafter Friede nicht allein durch Macht zu sichern war, sondern dass die politische Gewalt auf die Sicherung eines gerechten und sicheren Friedens verpflichtet werden muss.