Das Menschenbild der Pseudo–Erneuerer oder
«Von der Person zur Amöbe»
Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis VPM Pädagogische Schulungswoche 1994
Renata Rapp, Moritz Nestor
1. Einleitung
Der Präsident des Internationalen Fussballverbandes sagte unlängst in einem Interview – sinngemäss –, wir Menschen seien eben so aggressiv, weil unsere Gesellschaft so sei. Darauf angesprochen, ob er wisse, dass er damit einer der folgenschwersten Sätze der Marxschen Philosophie wiedergegeben habe, würde er sicher verneint haben. Viele Menschen kennen heute, ohne je eine Zeile Marx gelesen zu haben, ja ohne ihn zu kennen, intuitiv jenen Satz aus der Feuerbachthese, dass der Mensch das «Ensemble seiner gesellschaftlichen Verhältnisse» sei. Oder in den Worten eines typischen Studenten unserer Zeit: «Aber Herr Professor, ich kann doch nicht moralischer sein als die Gesellschaft, in der ich lebe!» Das sind die Resultate eines langen gesellschaftlichen Umorientierungprozesses. Ähnliches ist im Bereich der Sexualität, der Drogen, der Aggression und allen neuralgischen Bereichen zwischenmenschlichen Zusammenlebens passiert.
In den letzten zweihundert Jahren – vor allem aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit Karl Marx – haben wir eine radikale Umwandlung der besten Teile unseres traditionellen Menschenbildes erlebt. Wir charakterisieren diese Entwicklung mit dem Bild: Von der Person zur Amöbe!