Auch in der Medizin kommt es aufs Menschenbild an
Ein wichtiges Buch: «Allergien und Phobien, ein Tsunami der Zivilisation»
von Dr. med. Thomas Lippmann Zeit-Fragen vom 24. April 2018
Hans-Jürgen Schramm, Arzt für Psychosomatik und Psychotherapeut im Neustädter Land bei Hannover, befürchtet einen Rückfall in mittelalterliche Verhältnisse. Vergangene Seuchen drohen wieder auszubrechen. Dafür verantwortlich seien eine körperliche, geistige und seelische Ausbeutung des Menschen sowie die gegenwärtige politische Verdrehung des Begriffes Nachhaltigkeit. Schramm warnt vor der Züchtung von «Robotermenschen», mahnt eine dringend notwendige Rückkehr zur Achtung vor dem Leben an und plädiert für mehr Eigenverantwortung.
Sein Buch birgt eine wissenschaftliche Entdeckung von grosser Tragweite. Jeden von uns könne es betreffen. Angesichts der bedrohlich steigenden Zahl von psychisch Kranken und Allergikern bestehe die Gefahr einer völligen Erschöpfung immunologischer Kapazitäten. Das Buch stellt die Hypothese der dualen Gefahr für den Menschen, eines Zusammenhangs von Allergie und Phobie (einer Form der Angst) auf. Dieser theoretische Teil bietet viele Denkanstösse, immer mit dem Ziel, bei somatischen Erkrankungen immaterielle, auch noch unbekannte, insbesondere seelische Einflüsse, einzubeziehen – ganz im Sinne der Psychosomatik.
Der Autor schöpft aber auch aus einem grossen Fundus psychologischen Erfahrungswissens. Er widmet denn auch dieses Buch «den unzähligen Menschen, die mich im Verlauf vieler Jahrzehnte als Patienten um ärztliche Hilfe ersucht haben. Sie alle wurden dabei auch zu meinen Lehrmeistern, denen ich deshalb in besonderem Masse Erfüllung und Erfolg meines ärztlichen Wirkens zu verdanken habe.»
Im Buch findet sich eine Fülle wertvoller Lebensweisheiten, die der Prävention von körperlichen und seelischen Leiden dienen. Dies geht leider nicht ohne die vom Autor vorgenommene, durchaus auch düster anmutende Analyse zahlreicher Gefahren für heutige Menschen: sowohl in der materiellen Welt als auch und insbesondere für seine Seele. Aber dem Gewicht der Analyse wird der Ausblick gegenübergestellt, dass der Autor stets das Anliegen verfolgt, «das Gute, das man von Lehrern und im eigenen Ringen um Erkenntnis anlässlich eigener Leidenssituationen, im Reifeprozess des Erlebens erworben hat, segensreich den nachfolgenden Generationen weiterzugeben».
Seelische Harmonie ist für Hans-Jürgen Schramm zentral für die Gesundheit. Indes betont er auch: Wir seien selbst verantwortlich dafür, seelische Harmonie zu erreichen. Der Autor zitiert die Bibel: «Was hülfe dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.» Selbstverständlich müsse dies jeder auf seine spezifische, individuelle Weise tun, für sich, aber auch in Bezug auf die Forderungen der Gemeinschaft, des Lebens und unter Berücksichtigung unserer Natur beziehungsweise der für alle Lebewesen geltenden Grundsätze: massvoll statt masslos. Wenn ich als Glied einer Gemeinschaft für mich persönlich etwas schaffen will oder erreichen möchte, habe ich die Pflicht, die Auswirkungen davon auf andere oder die Umwelt zu bedenken. Dazu ist umfassende Bildung notwendig, und dazu bietet das Buch von Doktor Schramm eine Fülle an Hinweisen und Anregungen, sowohl was materielle als auch was seelische Einflussfaktoren betrifft.
Hier sollen nur zwei der vielen im Buch thematisierten Einflussfaktoren genannt werden: der verharmloste Drogenmissbrauch und der weniger bekannte Einfluss des Einsatzes von Nano- Partikeln in der Nahrungsmittelindustrie. Wiederholt weist Schramm darauf hin, dass der in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts viel diskutierte enge Zusammenhang von Körper und Seele in der Psycho-Neuro-Immunologie (PNI) heute in der Medizin vernachlässigt wird und nur noch der Körper und davon gelöst eine allenfalls immaterielle Seele betrachtet wird. Wenn wir aber nicht wieder Verantwortung für uns und die Schöpfung übernähmen, drohe unserem Immunsystem, das Schramm als psychosomatische Einheit sieht, eine Erschöpfung. Darauf folge die Zunahme von Allergien und psychischen Erkrankungen, insbesondere von Ängsten beziehungsweise Phobien.
In verständlicher Form gibt Hans-Jürgen Schramm sein philosophisches Wissen und seine Einsichten dem Leser weiter. Neben allgemeinen, allen Lebewesen gemeinsamen Eigenschaften stellt er in diesem Buch die Bedeutung der Seele ins Zentrum seiner Überlegungen. Bereits als junger Arzt habe ihn ein Professor auf die Wichtigkeit der Seele aufmerksam gemacht. Nicht zuletzt wirkte die Redlichkeit von Doktor Schramm, der sich bereits als junger Arzt den alten Grundsatz einprägte: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Für ihn als Arzt hiess dies: Verordne als Arzt nur Therapien, die du auch bei dir selbst anwenden würdest oder anwendest.
Bemerkenswert schliesslich sein Hinweis auf die Diskrepanz zwischen den sogenannten Akademikern, die der Seele nur einen geringen Stellenwert zugestehen, und der Allgemeinheit. Es geht um die Frage nach dem Wichtigsten für das Wohlbefinden, nach dem Wichtigsten für das Leben. Es geht um seelische Belange, und dabei steht die grosse Bedeutung der Familie an erster Stelle. So möchte man vielen, vor allem angehenden Ärzten, das kompakte, mit Natur und Mensch versöhnlich stimmende, zum eigenen Nachdenken anregende Werk von Hans-Jürgen Schramm wärmstens empfehlen.