Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis VPM
Seminar für Entwicklungspsychologie Freitag 16. Juni 1989, 20 Uhr
Adolf Portmanns
«Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen» Teil III
Das erste Lebensjahr und die Weltoffenheit des Menschen
Moritz Nestor
Verehrte Anwesende
Wir kommen heute zum ersten Lebensjahr des Menschen, nachdem wir am letzten Freitag den Geburtszustand des Menschen diskutiert haben.
Die Bedeutung des menschlichen Erstjahres zu beurteilen erfordert nach Portmann für den Biologen auch eine Diskussion der speziellen menschlichen Lebensweise, eine Diskussion des in der Natur in dieser Form einzig dastehenden menschlichen Verhaltens. Portmann stellt damit auch eine im Grunde psychologische Frage, wenn er sich dem Problem auch auf biologischem Wege nähert. Vielleicht – ich kann das nicht beurteilen – war er sich dessen zu wenig bewusst. Er stellt jedenfalls die für einen Biologen wichtige Frage nach dem artgemässen Verhalten des Menschen. Eine eigentliche Verhaltensforschung des Menschen also, wobei wir, von menschlicher Lebensform und von menschlichem Verhalten sprechend, nie individuelles Verhalten meinen, das auch. Es bezieht sich jedoch immer auf das Verhalten, welches der Gattung Mensch, also allen Individuen, eigentümlich ist, denn diese untersuchen wir ja. Wie wir analog dazu ja auch davon sprechen, dass alle Individuen einer bestimmten Wespenart (Nester aus mit Speichel vermischtem zerkauten Holz kugelförmige Nester herstellen), also dies ein typisches Verhalten dieser Tierart ist.